BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Fraktion Berlin-Lichtenberg

Fachkräftemangel in Lichtenberg

24.05.22 –

Vorgang: KA/0125/IX 

Das Bezirksamt wurde um folgende Auskunft gebeten:

1. Wie hoch ist der aktuelle Bedarf von Lichtenberger Unternehmen an Fachkräften und welche Lücken gibt es?

2. Wie unterstützt das BA Lichtenberger Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften?

3. Welche mehrsprachigen Beratungsangebote bietet das Lichtenberger Jobcenter für nicht-deutschsprachige Fachkräfte?

4. Welches Angebot an Deutschkursen für Fachkräfte gibt es beim Jobcenter? Gibt es Pläne, diese auch mit Blick auf die Integration von z.B. ukrainischen Flüchtlingen auszubauen und anzupassen?

5. In welchen Sprachen werden Beratungen im Jobcenter angeboten? Gibt es Pläne, das Angebot an mehrsprachigen Beratungen auszubauen?

6. Inwiefern werden Fremdsprachenkenntnisse bei den Einstellungen des Jobcenters berücksichtigt und wie stellt das BA sicher, auch mehrsprachige Bewerber*innen auf offene Stellen im Jobcenter aufmerksam zu machen?

 

Das Bezirksamt teilt Folgendes mit:

zu 1.:

Zur Identifikation des Bedarfes an Arbeits- und Fachkräften können die gemeldeten Stellen betrachtet werden. Der Bestand der gemeldeten Stellen ist dabei ein Indikator, wie sich die Lage aktuell bei den Unternehmen darstellt. Abgerundet wird das Bild mit der Betrachtung der Zu- und Abgänge an Arbeitsstellen, aus der auch die Dynamik und die aktuelle Entwicklung ersichtlich wird.

Im rz 2022 sind in Lichtenberg 1010 Stellen im Bestand, davon 862 Stellen mit dem Anforderungsniveau „Fachkraft“ oder „Spezialist/Experte“ (Anlage, Tabelle 3.1.1). Bei der Betrachtung des Stellenbestandes seit März 2021 ist festzustellen, dass sich die Anzahl der gemeldeten Stellen wieder erhöht (von 811 Stellen im März 2021 auf 1010 Stellen im März 2022).

Im Stellenzugang sind im März 2022 186 Stellen, davon 153 Stellen mit dem Anforderungsniveau „Fachkraft“ oder „Spezialist/Experte“ (Anlage, Tabelle 3.1.2), der Abgang an Stellen weist im März 2022 186 Stellen aus, davon 152 Stellen mit dem Anforderungsniveau „Fachkraft“ oder „Spezialist/Experte“ (Anlage, Tabelle 3.1.3).

Bei den ausgewiesenen Stellen handelt es sich nur um die der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern gemeldeten Stellen. Die Stellen werden mit Kund:innen aus beiden Rechtskreisen besetzt. Im Berichtsmonat März 2022 waren in Lichtenberg 13205 Personen arbeitslos gemeldet, 3187 im Rechtskreis SGB III und 10018 im Rechtskreis SGB II.

Eine detaillierte Betrachtung der Arbeitslosen und (sozialversicherungspflichtigen) Stellen nach den Zielberufen ist in der beigefügten Tabelle (96209 BM) möglich.

Bei der Betrachtung der Daten ist auch zu beachten, dass die der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen regional nach dem Arbeitsort gegliedert sind. Daher handelt es sich bei den im Bezirk Lichtenberg gemeldeten Stellen nicht zwingend um Stellen von Arbeitgebern aus der Region.

Zudem ist bei der Einschätzung eines etwaigen Fachkräftemangels auch zu beachten, dass ein einzelner Berliner Bezirk (und auch die Stadt Berlin als Ganzes) kein abgeschlossener Arbeitsmarkt ist. Bedarfe an Arbeits- und insbesondere an Fachkräften werden häufig überregional ausgeglichen. Dabei sind zum Beispiel auch Pendler:innenbewegungen zu beachten, wofür die Region Berlin-Brandenburg auch aufgrund der guten infrastrukturellen Erschließung prädestiniert ist.

Für fundierte, umfangreiche und die verschiedensten Einflussfaktoren des Arbeitsmarktes berücksichtigende Betrachtungen zum Thema Engpassanalyse und Fachkräftebedarf bietet der Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit individuelle Auswertungsmöglichkeiten.

Hinweis: Während in der Beantwortung der Frage auf die gemeldeten Stellen eingegangen wird, können in der Anlage statistisch nur die gemeldeten sozialversicherungspflichtigen Stellen abgebildet werden. Dies erklärt die Differenz zwischen den unterschiedlichen Werten.

zu 2.:

Der demographische Wandel, die Digitalisierung und die Corona-Krise stellen auch Lichtenberger Unternehmer:innen vor große Herausforderungen bei der Suche nach geeigneten Fachkräften.

Die bezirkliche Wirtschaftsförderung arbeitet seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Kooperationspartner:innen, wie z.B. Agentur für Arbeit Berlin Mitte, Jugendberufsagentur (JBA), Jobcenter Lichtenberg, Wirtschaftskreis Hohenschönhausen-Lichtenberg e.V., Unternehmensnetzwerk Herzbergstraße e.V., Regionaler Ausbildungsverbund (RAV) zusammen.

Am 28. April 2022 fand der Ausbildungsgipfel 2.0 mit über 125 Lichtenberger Unternehmer:innen und Kooperationspartner:innen, davon 90 in Präsenz, statt.  Neben den Ergebnissen aus der Sinus-Jugendstudie, erhielten die Teilnehmenden einen Überblick über die verschiedenen Lebenswelten der Jugendlichen. Auszubildende berichten über Ihre Berufswahlprozess und Erfahrungen mit Arbeitgebenden.  Des Weiteren berichtete ein Unternehmen worauf sie beim Azubi-Marketing und – recruiting setzen. Vor allem die Themen Kooperationen zwischen Schulen und Betrieben, Ausbau von bedarfsgerechten Praktikas und gemeinsame Tage der offenen Türen für Ausbildungssuchenende und Eltern wurden als Handlungsbedarfe identifiziert. Hierzu sind mit den unterschiedlichen Akteur:innen weitere Schritte geplant.

Folgende Maßnahmen wurden in den letzten zwei Jahren durch die Kooperationspartner*innen durchgeführt:

  • Woche der Nachvermittlung: In Zusammenarbeit mit der Jugendberufsagentur, der IHK, dem Regionalen Ausbildungsverbund und dem Büro für Wirtschaftsförderung wurden ausbildungssuchende Jugendliche am 07.10.2020 in die Jugendherberge Ostkreuz eingeladen. Das kurzfristig organisierte Format „Roadshow in Lichtenberg – Nachvermittlungsaktion für Lichtenberger Jugendliche“ wurde genutzt, um die vorhandenen freien Ausbildungsplätze schnellstmöglich zu besetzen und noch nicht vermittelten Jugendlichen eine Perspektive in einer Ausbildung zu schaffen. Die Besucher hatten die Gelegenheit, mit verschiedenen Arbeitgebern individuell ins Gespräch zu kommen. Ein Bewerbungsmappen-Check und die Möglichkeit, kostenlos professionelle Bewerbungsfotos anfertigen zu lassen, wurden von den Teilnehmenden rege genutzt.
  • Matching-Tag beim Lichtenberger Unternehmen SELGROS Cash & Carry: 150 jugendliche Teilnehmer:innen nahmen in mehreren Durchgängen an einer Führung bei SELGROS zur beruflichen Orientierung teil und erhielten wertvolle Einblicke in den Arbeitsalltag. Sie bekamen Informationen über Praktika-Möglichkeiten sowie Bewerbungstipps für den Handel. An der Veranstaltung nahmen Schulklassen (Vorentlassklassen ohne sofortiges Vermittlungspotenzial) sowie auch unversorgte Jugendliche mit Vermittlungspotenzial teil.  An einem Stand der Jugendberufsagentur erhielten unversorgte Jugendliche zusätzliche Vermittlungsvorschläge für Ausbildungsberufe im Handel. Von den damals unversorgten Jugendlichen mit Vermittlungspotenzial befinden sich (Stand 21.03.2022) ca. 20% in einer ungeförderten/geförderten Ausbildung im Bereich Handel, ca. 30% haben sich für eine Ausbildung in einer anderen Branche entschieden und gehen dieser nach. 15% arbeiten derzeit versicherungspflichtig im Handel.
  • Traumjobfestival: Als ein weiteres Format der beruflichen Orientierung für Schüler*innen aus Vorentlassklassen hat die Wirtschaftsförderung zusammen mit dem RAV und der Jugendberufsagentur das Traumjobfestival vom 06.09.2021-09.09.2021 im Bezirk realisiert. Die Finanzierung übernahm die Wirtschaftsförderung. Im Kino Cinemotion Hohenschönhausen haben an diesen Tagen von 14 Uhr - 17 Uhr täglich durchschnittlich 30 Schüler*innen des Jahrgangs 9 aus zwei Lichtenberger Schulen teilgenommen. Im Kinosaal wurden vier Videos mit Influencer*innen gezeigt, in denen diverse Berufe (u.a. Pflegefachfrau,-mann) und Branchen vorgestellt wurden. Im Anschluss wurden Ausbildende u.a. des KEHs Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) und DM interviewt. Danach konnten die Jugendlichen virtuelle Betriebserkundungen und einen Ausbildungsalltag in 360° mit VR-Brillen erleben. Die Schüler*innen wurden während der Veranstaltung durch die Berufsberaterin begleitet. In einem Feedbackbogen der Berufsberatung fiel ein hoher Anteil an Jugendlichen auf, die sich nach der Veranstaltung für den Bereich Pflege interessierten.
  • Eltern auf Tour: In einem Bus wurden am späten Nachmittag Eltern (ggf. in Begleitung der Kinder) zu zwei Arbeitgebern des Bezirks begleitet und über die Branche, das Unternehmen, dortige Ausbildungsberufe und Bewerbungsmöglichkeiten informiert. Die Auswahl fiel auf das ABACUS Tierpark Hotel und das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH). Das Angebot Eltern auf Tour trug dazu bei, Eltern mit ihren Kindern am Übergang von Schule zum Beruf mit Ausbildungsunternehmen zusammenzubringen. Da Eltern häufig die ersten Ansprechpartner*innen bei der Berufsorientierung junger Menschen und somit wertvolle Ratgeber*innen bei der Berufswahl sind, müssen sie in diesen Prozess mit eingebunden werden.

Die Suche nach Fachkräften und Auszubildenden ist ein mehrstufiger Prozess und ein Zusammenspiel verschiedenster Akteur:innen - sowohl regional als auch überregional.

zu 3.: 

Das Jobcenter Berlin Lichtenberg bietet in der Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und weiteren Netzwerkpartner:innen vielfältige Beratungsangebote, die sich auch an nicht-deutschsprachige Fachkräfte richten.

Mit dem Angebot der „EURES“-Services werden Fachkräfte und auch Arbeitgebende direkt angesprochen und zielführend zur Thematik Anerkennung von Berufen, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktzulassung und weiteren Aspekten zur Fachkräftesicherung beraten. Die Angebote auf der EURES-Seite stehen dabei in 26 Sprachen zur Verfügung.

Beim Netzwerkpartner „Kiezspinne“ können unsere Kund:innen das „Integrationslotsenprojekt“ nutzen. Dieses Projekt bietet Beratung und Unterstützung für Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin Lichtenberg in 6 Sprachen.

Darüber hinaus stehen unseren Kund:innen weitere Angebote von Netzwerkpartner:innen offen, so z.B. das Beratungsangebot des Caritasverbandes in 9 verschiedenen Sprachen.

zu 4.: 

Die Deutschkurse für im Jobcenter gemeldete Kund:innen werden über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) realisiert. Dabei kann die Teilnahme an einem Integrationskurs oder einem berufsbezogenen Sprachkurs erfolgen. Das BAMF bietet dafür eine Vielzahl spezieller Kursarten an.

Die Verweisberatung auf das bestehende Angebot des BAMF wird durch das Jobcenter situativ angepasst und intensiviert, sobald ukrainische Staatsbürger:innen durch die Träger der Grundsicherung betreut werden. Bürger:innen aus der Ukraine sind bereits heute schon Teilnehmende von Integrations- und Sprachkursen, das BAMF wird sein Angebot bedarfsbezogen anpassen.

zu 5.: 

Für Beratungen im Jobcenter für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, kann die Dolmetscher:innen-Hotline genutzt werden. Die Übersetzung der Beratung erfolgt dabei telefonisch durch einen externen Dienstleister (SAVD Videodolmetschen GmbH), der sowohl für terminierte Beratungen eingeschaltet werden kann, als auch bei Ad-hoc-Bedarfen ansprechbar ist. Der Service steht dabei für 23 Sprachen zur Verfügung (Arabisch, Bosnisch, Bulgarisch, Dari, Englisch, Farsi, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Kurdisch-Kurmandschi, Kurdisch-Sorani, Paschtu, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Somali, Spanisch, Tigrinya, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch, Urdu).

Darüber hinaus können bei Bedarf Sprachmittler:innen für Beratungsgespräche eingesetzt werden, zudem werden Übersetzungsbüros für die Übersetzung von Dokumenten und schriftlichen Unterlagen genutzt.

zu 6.: 

Das Jobcenter Berlin Lichtenberg hat bei Personaleinstellungen Sprachkenntnisse der Bewerber:innen bereits in der Vergangenheit abgefragt. Diese werden auch bei zukünftigen Stellenbesetzungsverfahren berücksichtigt.

Die Mitarbeiter:innen des Jobcenters sind daher auch in Bezug auf die Sprachfähigkeiten vielfältig aufgestellt. In den verschiedenen operativen Bereichen des Hauses können damit Kundengespräche in 9 verschiedenen Fremdsprachen erfolgen (Arabisch, Englisch, Estnisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Serbokroatisch, Türkisch, Spanisch).

Kategorie

Anfrage | Arbeit, Soziales, Gesundheit | Bürgernähe, Verwaltung, öffentliche Ordnung

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